re:view – re:blog: Podcasts brauchen Bühnen

Podcasts, Blogs und Vlogs: Die Alternativen zu den klassischen Medienformaten sind längst ernst zu nehmende Konkurrenz für Öffentlich-Rechtlichen. Welche Möglichkeiten und Formate sie bieten und warum noch zu wenige davon wissen, wurde beim Track re:blog diskutiert.

Nach Print stirbt nun also auch Radio. Oder doch nicht? Die Rettung könnten Podcasts sein, doch bisher gibt es keine zentrale, offene Plattform für Podcasts. Die großen Musikplattformen und die Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten behandeln das Thema noch recht stiefmütterlich. Auch in Social Media spielen Hörbeiträge eine untergeordnete Rolle – Facebook hat nicht einmal eine Audiofunktion. Über 60 Prozent der Abrufe laufen noch über iTunes von Apple, und selbst bei Soundcloud bleibe viel Potenzial ungenutzt, attestierte Christian Bollert von detektor.fm. Bei seinem Talk wurde die Forderung nach einem Verband der PodcasterInnen laut, der deren Interessen und Angebote bündelt.

Auch bei den Sendern selbst wird das Potenzial von Podcasts unzureichend genutzt: Viele attraktive Angebote der Radiosender werden nicht übersichtlich gesammelt und sind nicht auf Podcast-Plattformen zu finden. Wie es besser geht, zeigte der Journalist Thomas Weibel in einem Lightning Talk. Er hat seine Sendung 100 Sekunden Wissen des Schweizer Senders SRF 2 in Form eines Lexikons online gestellt – zum Lesen und zum Hören. Die Seite ist durchsuchbar und mit Stichwortlinks ausgestattet. Zustande kam das Projekt allerdings nur, weil Weibel in Eigeninitiative die Seite aufgebaut hat. Die Marketingverantwortlichen seines Senders hielten das Vorhaben für eine Schnapsidee: Nicht mit der Corporate Website vereinbar, zu wenig Publikum, kein Potenzial. Weibel kritisiert die Unflexibilität vieler großer Sender und rät: Im Zweifel einfach mal selber machen. Sein Podcast ist über iTunes und Google zu finden.

Wissen spannend und unterhaltsam rüberzubringen, das haben sich Wissenschafts-BloggerInnen und -PodcasterInnen zur Aufgabe gemacht. “Wissenschaft kommt selten wirklich sexy rüber, das müssen wir ändern”, findet der Blogger Patrick Breitenbach. “Mit jeder nüchternen wissenschaftlichen Erkenntnis stirbt irgendwo ein kleines, süßes Einhornbaby.“ Um Fake-News und “dem Andi von Facebook“, der alternative Fakten verbreitet, entgegenzuwirken, sollten wissenschaftliche Inhalte spannend erzählt werden. Als Geschichte, die man gerne hört, nicht theoretisch und trocken.

Nora Hespers macht das schon. Als Anachronistin will sie die Geschichte ihres Großvaters Theo Hespers von Schwarz-Weiß-Bildern “in Farbe” umwandeln. “Mein Großvater war Terrorist“, sagt sie. Er kämpfte als Widerstandskämpfer aus den Niederlanden gegen die Nazis. Früher hat sie ihrem Vater, der die Geschichten des Opas erzählt hat, nicht zugehört. “Nicht schon wieder eine Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg”, dachte sie. Als sie erkannte, wie aktuell die Geschichte ihres Großvaters in Zeiten von Pegida und Angst vor der Islamisierung des Abendlands ist, begann sie zu recherchieren. In ihrem Podcast mit angeschlossenem Blog lässt sie ZuhörerInnen mit ihr Familiengeschichte entdecken.

von Christina Spitzmüller (EJS)

Bildnachweis: re:publica/Jan Michalko (CC BY 2.0)

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