Frag die Kuh - Wie Tiere zu Reportern werden

Aufbruch in eine neue Welt des Journalismus? Drei Milchkühe bekommen Sensoren und ein Textroboter generiert aus den Daten Geschichten.

“Die Menschen interessieren sich nicht für mich. Aber sie sollen wissen, wie die Milch entsteht”, sagt Berta. Berta ist eine Kuh und lebt auf einem Biohof in Ostwestfalen. Zugegeben, Berta spricht nicht selbst, sondern Autor Björn Erichsen. Mit seiner Performance im Kuh-Kostüm macht Erichsen allerdings klar, worum es ihm und seinen KollegInnen Jakob Vicari und Carolyn Braun geht: Die Geschichte der Milchproduktion aus der Perspektive ihrer Produzenten zu erzählen.

Mit dem Projekt “Superkühe” wollen die drei im Herbst einen Monat lang Daten mittels eines Sensors erheben, den die Kühe schlucken. Durch die Sensordaten werde der komplette Entstehungsprozess nachverfolgbar: Vom Gebären des Kalbes über das Grasen auf der Weide bis hin zum Abpumpen der Milch.

Für das Experiment, das sie zusammen mit dem Westdeutschen Rundfunk (WDR) durchführen, haben sie drei Kühe ausgesucht: Berta, die in einem Bio-Landwirtschaftsbetrieb lebt; eine Kuh, die auf einem kleinen Familienhof zu Hause ist, und eine, die auf einem konventionellen Hof mit 1000 Artgenossen gehalten wird.

“Wir wollen den Alltag der Kuh für die Menschen sichtbar machen”, erklärt Vicari. Gerade werde ein Chatbot programmiert, der es erlauben soll, der Kuh sogar Fragen zu stellen, etwa, was sie zuletzt gegessen hat. Die Antwort speist der Textroboter wiederum aus den gesammelten Daten. Das Ziel des Projekts formuliert Vacari so: “Die Leute sollen sich fragen: Welche Milch wollen wir trinken?”

Laut Braun gibt es schon heute 134 Millionen sogenannte "versensorte" Tiere, also zum Beispiel Störche, deren Flugrouten über Sender nachverfolgt werden können. Die Daten der Kühe sollen auf einer Website einlaufen. “Die Seite ist quasi das Tagebuch der Kühe”, sagt Braun.

Bei aller technischen Innovation: Über den seelischen Zustand der Kühe kann der Sensor keine Daten liefern. Das wissen auch Braun und ihre KollegInnen. “Ob die Kuh glücklich ist oder nicht, darüber können wir nicht urteilen”, sagt Erichsen. “Das Projekt ist deskriptiv angelegt, wir wollen nicht bewerten”, sagt Braun. “Über die Frage, ob wir Tiere ausbeuten dürfen, können wir nicht entscheiden. Sicherlich kann der Einzelne durch das Projekt aber zu dem Schluss kommen, dass man Tieren so etwas nicht antut.”

Dass die Kühe den Sensor schlucken müssen, hält Braun für unbedenklich. “Wir haben uns mit Tierethikern und Ärzten unterhalten. Der Kuh wird kein Schaden zugefügt.”

von Laura Eßlinger (EJS) & Marlene Brey (EJS)

Bildnachweis: Laura Eßlinger

Speaker: 

Tags: