Matt Mitchell über rassistische Algorithmen

Für Crypto-Spezialist und Datenjournalist Matt Mitchell ist klar: People of Color und andere Minderheiten sind in den USA seit Jahrhunderten Überwachung ausgesetzt. Heutzutage entsteht durch permanente Kontrolle nicht nur ein genaues Profil von Bezirken und ihren Bewohnern, es wird auch ein Klima der Vorurteile und des Misstrauens geschürt. Straftaten sind in hochüberwachten Gegenden dann wie selbsterfüllende Prophezeiungen – weil mehr kontrolliert wird, werden auch mehr Verstöße registriert. Für Mitchell hat dies eine traurige Tradition, die er bis zu den Anfängen der Sklaverei verfolgt.

Filmempfehlung: Do not Resist

 

Für ihn ist klar: Wer anders ist, vor dem hat man Angst und den lässt man lieber überwachen. Der Experte erlebt dies auch in seiner eigenen Heimat, dem New Yorker Stadtteil Harlem: Hier würde aufgrund der afro- und lateinamerikanischen Bevölkerung intensiver kontrolliert als im benachbarten und mehrheitlich von Weißen bewohnten East Village. Er zählt weitere Punkte auf, an denen die USA unverhältnismäßig viel über seine BürgerInnen wissen wollen:

  • Auto Licence Plate Reader: Sensoren im öffentlichen Raum scannen die Nummernschilder vorbeifahrender Autos. Laut Mitchell befinden sich diese Sensoren oft in von Schwarzen und Latinos bewohnten Gegenden.
  • Skywatch Tower: Eine Art mobiler Wachturm auf einer Hebebühne, von dem aus das Geschehen auf der Straße beobachtet wird.
  • Shotspotters: Mikrofone im öffentlichen Raum, die Gewehrschüsse melden. Einmal angeschaltet, können sie aber auch Gespräche aufnehmen. Ihre Wirksamkeit ist umstritten.
  • Electronic Benefit Transfer Card (EBT): Diese funktioniert wie eine Kreditkarte für Bedürftige, da man mit ihr einkaufen und Geld abheben kann. Alle Daten und sogar die damit bezahlten Waren werden gespeichert und sind von Sozialarbeitern einsehbar.


Kameras, Software und Algorithmen seien somit nicht neutral, da sie vor allem diskriminierte Gruppen beobachten. Sie würden von Menschen programmiert, die selbst bewusst oder unbewusst voreingenommen gegenüber Menschen unterschiedlicher Hautfarben, Minderheiten oder marginalisierten Gruppen wären. Es ist daher Zeit, sich zu wehren: So empfiehlt Mitchell gegen den Missbrauch von Polizeigewalt sowie Racial Profiling das Community-Netzwerk WeCopWatch. Freiwillige können damit dokumentieren, wenn People of Color grundlos auf der Straße angehalten und überprüft werden – so entsteht eine Datenbank, mit der sich Übergriffe juristisch wirksam dokumentieren lassen.

von Sylvia Lundschien (EJS) und Annika Zimmermann (FF)

Lektüreempfehlungen & Links:
Simone Browne: Dark Matters. On the Surveillance of Blackness
Michelle Alexander: The New Jim Crow. Mass Incarceration in the Age of Colorblindness
Bryan Stevenson: Just Mercy. A Story of Justice and Redemption
Equal Justice Initiative

Bildnachweis: re:publica/Jan Michalko(CC BY-SA 2.0)

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