Grundrechte neu verhandeln: Die #Digitalcharta

#DigitalCharta Con Panel

Do we need digital basic rights?

Wie erreichen wir, dass die iPhone-Stimme Siri einem Suizidgefährdeten die nächste Seelsorge anzeigt und nicht die nächste Brücke? In der #Digitalcharta wollen EU-BürgerInnen festlegen, wie künstliche Intelligenz eingesetzt werden darf und unsere Daten geschützt werden.

“Wenn Facebook, Twitter und Google heute bestimmen können, was wir sagen dürfen, dann müssen wir das diskutieren“, sagt Jeanette Hofmann auf der re:publica. Die Professorin für Internetpolitik am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) ist eine von 27 InitiatorInnen der Digitalcharta, die seit ihrer Vorstellung Ende 2016 diskutiert und beständig weiterentwickelt wird. Sie soll BürgerInnen künftig nicht nur vor dem Staat schützen, sondern auch vor der Macht internationaler Großkonzerne.

Die Charta ist ein Versuch von prominenten JournalistInnen, PolitikerInnen, WissenschaftlerInnen und NetzaktivistInnen, die Grundrechte auf EU-Ebene an die digitalisierte Welt anzupassen. Die insgesamt 27 Artikel der Charta geben Impulse in Sachen Datenschutz, künstlicher Intelligenz und Meinungsfreiheit im Netz. Sie wollen verhindern, dass unregulierte Digitalisierung zu einer maschinengesteuerten Welt ohne Ethik und Augenmaß führt, in der – wie es ein Besucher im Planum formuliert – “Siri mir den Weg zur nächsten Brücke zeigt, wenn ich mir mein Leben nehmen will”. Solche Hinweise müssten durch Warnmechanismen verhindert werden, heißt es in Artikel 8 der Charta: “Ethisch-normative Entscheidungen können nur von Menschen getroffen werden.”

“Die Charta ist vorläufig, sie soll zum Streit einladen“, sagt Jan Philipp Albrecht von den Grünen. Der EU-Parlamentarier und Jurist findet diesen Streit notwendig. “BürgerInnen sollen selbst ihre Grundrechte entwerfen und darüber diskutieren, nicht nur Politiker.“

JuristInnen fühlen sich übergangen

Christoph Kucklick, Chefredakteur des Geo-Magazins, hat die Charta nicht unterzeichnet. Er findet es überflüssig, digitale Grundrechte gesondert zu fordern; zudem sei das Schriftstück zu schwammig formuliert. Er kritisiert besonders Artikel 5.2., in dem es heißt: “Mobbing und Hetze sollen verhindert werden.“ Beide Begriffe seien rechtlich nicht definiert; diese Forderung dürfe die freie Meinungsäußerung im Netz nicht gefährden.

JuristInnen fühlten sich im Prozess übergangen. Dabei bräuchten die Initiatoren der Charta doch ihr Handwerkszeug, um die Digitalcharta eines Tages ins deutsche und europäische Rechtssystem umzusetzen, mahnt sie.

Bis die Charta tatsächlich umgesetzt wird, können BürgerInnen auf digitalcharta.eu und über den Hashtag #digitalcharta Kritik und konkrete Vorschläge einreichen sowie Artikel anonym kommentieren.

von Theresa Krinninger und Birte Mensing (EJS)

Bildnachweis: Theresa Krinninger